Der Weltraum als Wirtschaftssimulation

 

Knapp tausend Fans trafen sich in Island um 15. Geburtstag von Eve Online – einem der ältesten und berühmtesten Online-Games. Die Spieler kämpfen darin um Rohstoffe, treiben Handel und schmieden Allianzen.

 

Die Harpa ist das Wahrzeichen von Reykjavík. In dem futuristischen Glaspalast am Hafen finden regelmäßig Konzerte und Konferenzen statt. Die Harpa erinnert ein wenig an ein Raumschiff – und ist damit genau der richtige Ort für ein Fest, das jährlich Hunderte Weltraum-Fans aus aller Welt anlockt. Sie treffen sich beim „Eve Fanfest“, um das Computerspiel Eve Online zu feiern: ein PC-Spiel der isländischen Firma CCP Games, das für seine gigantischen Raumschiffschlachten bekannt ist. Und für seine komplexen Wirtschaftskreisläufe, die von Fans selbst mitgestaltet werden.

Vor zwei Wochen feierte Eve Online sein 15-jähriges Bestehen. Gemeinsam mit World of Warcraft zählt es zu den ältesten noch laufenden MMOs. Die Abkürzung steht für „Massively Multiplayer Online Game“, also ein Online-Spiel, bei dem Tausende Teilnehmer interagieren. In Eve tummeln sich Spieler in 7800 zusammenhängenden Sternensystemen. Sie kämpfen um Rohstoffe, schmieden Allianzen, produzieren Hightech-Gegenstände, treiben Handel und erkunden das All. Besonders Produktion und Handel machen Eve Online zu einem Schmankerl für Wirtschaftsinteressierte: Unter den Spielern sind denn auch viele Banker und Finanzanalysten. Die Teilnehmer erweisen sich als sehr kreativ, wenn es um neue Geschäftsmodelle geht. Das macht Eve Online auch als Wirtschaftssimulation interessant.

Eine der Grundkonstanten des Spiels ist das allgegenwärtige Risiko. Jeder Pilot („Capsuleer“) besitzt eine oder mehrere Spielfiguren und diverse Raumschiffe, die er mit Waffen, Schilden und Energiequellen ausrüstet. Viele Spieler sind auf Beute aus, das macht das Leben im Weltraum so gefährlich – und faszinierend. „Man kann alles verlieren, was man sich über die Jahre hinweg aufgebaut hat“, sagt Ralf Struschka, der aus Berlin zum Fanfest eingeflogen ist. „Dieses ständige Risiko macht den besonderen Reiz des Spiels aus.“

Im echten Leben arbeitet er an einer Hochschule

Struschka ist 33 Jahre alt und seit fünf Jahren Capsuleer, im echten Leben arbeitet der studierte Politikwissenschaftler an einer Berliner Hochschule. In Eve Online ist er Vorsitzender eines 16-köpfigen deutschsprachigen Clans, der eine bestimmte Weltraumregion besiedelt. „Wir unterstützen uns gegenseitig, etwa beim Abbau von Asteroidengürteln und bei der industriellen Produktion“, sagt Struschka. Das Spiel nennt er eine „Sandbox“, einen virtuellen Sandkasten mit großer Handlungsfreiheit: Jeder Spieler steckt sich seine Ziele selbst. Vielleicht will er ein erfolgreicher Händler werden und Reichtümer anhäufen. Vielleicht auch ein Kämpfer werden, einen Clan leiten oder den gesamten Weltraum erkunden. Diese Offenheit ist es, die Struschka so begeistert: „Es gibt nie den Punkt, an dem man sagen kann: Ich habe Eve Online durchgespielt.“

CCP Fozzie steht im Obergeschoss der Harpa. Von hier hat man einen phänomenalen Blick auf den Hafen, die Küste und die eisigen Berggipfel in der Ferne. CCP Fozzie heißt eigentlich Joshua Bayer, ist Senior Game Designer und in Eve für die Wirtschaft zuständig; zusammen mit den anderen CCP-Verantwortlichen stellt er beim Fanfest zahlreiche Neuerungen vor. „Eve kann Spielern grundlegende Wirtschaftsprinzipien vermitteln“, sagt der US-Amerikaner selbstbewusst. Es gebe bereits zahlreiche wissenschaftliche Studien zum Spiel, in denen Forscher untersuchen, unter welchen Bedingungen sich Gruppen zusammenschließen und Handel treiben. Eine Zeit lang beschäftigte CCP sogar einen Ökonomen, der die Wirtschaftskreisläufe beobachtete und bei Bedarf – im Stile einer Zentralbank – intervenierte. Mittlerweile ist „Dr. Eyjo“ alias Eyjolfur Gudmundsson Dekan der Universität von Akureyi an der Nordküste Islands. CCP beobachtet das Spielerverhalten aber weiterhin. „Wir tracken jede einzelne Transaktion“, sagt Joshua Bayer. Das Studio stellt die Daten aber auch allen Spielern zur Verfügung. Es gibt zahlreiche Podcasts und Blogs, die Eves Wirtschaft analysieren. CCP selbst präsentiert die Entwicklung in seinem „Monthly Economic Report“.

Weltraumschlachten zwischen Tausenden von Spielern

In Eve Online gibt es Allianzen mit enormem Einfluss. Immer wieder kommt es zu Weltraumschlachten zwischen Tausenden von Spielern, bei denen Schiffe und Stationen im Wert von mehreren Millionen ISK vernichtet werden. ISK ist die Währung von Eve Online, mit der die Teilnehmer Handel treiben und sich zusätzliche Spielzeit kaufen können. CCP verdient Geld durch Abogebühren und Bonus-Inhalte, Spieler können Eve aber auch in einem Free-to-play-Modus nutzen. Wird in den Schlachten ISK vernichtet, dann kann das den Betroffenen durchaus wehtun – weil sie viel Zeit und Energie in das Spiel gesteckt haben.

Immer wieder versuchen Spieler auch, den Markt zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Manche nutzen Computerprogramme wie Bots und Makros, um „Goldfarming“ zu betreiben, also Spielinhalte durch Routineaufgaben zu „ernten“. Wieder andere betreiben externe Glücksspielseiten mit der Spielwährung. Bei Bots, Glücksspiel, Kreditkartenbetrug und Account-Hacking greift CCP hart durch. Generell steht das Studio kreativen Handelsmethoden jedoch wohlwollend gegenüber, laut Firmenchef Hilmar Veigar Pétursson ist das „Meta-Gaming“ ein selbstverständlicher Teil von Eve.

Ein beeindruckendes Beispiel ist die „Gallente Ice Interdiction“ von 2011. Damals verhängte die mächtige Allianz Goonswarm ein Schürfverbot für den Rohstoff Weltraum- Eis: Goonswarm-Kämpfer attackierten jeden, den sie dabei erwischten. Die „Interdiction“ war Teil eines größeren Machtkampfes, Ziel der Aktion war ein Rohstoffmonopol. Auch beim inzwischen jährlich stattfindenden Event „Burn Jita“ geht es um Macht und Einfluss: Raumschiff-Flotten attackieren einen Handelsposten und legen damit einen Teil der Eve-Wirtschaft lahm. Auf Außenstehende mag das alles aggressiv und unbarmherzig wirken. Doch für Spieler wie Ralf Struschka sind es solche Kampagnen, die Eve Online einzigartig machen.

 

 

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